Verdeckte Parallelen

Jens-Uwe Dyffort / Roswitha von den Driesch

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Rondell, Grimma 2003

Stadt- und Landschaftsplanungen geben räumliche und soziale Ordnungen vor. Sie strukturieren das Wahrnehmen und Handeln von Besuchern und Bewohnern. Das Verhältnis zwischen vorgegebenen Ordnungen und eigenen Orientierungen ist zentrales Thema unserer künstlerischen Arbeit. Dabei interessiert uns das Zusammenspiel von unterschiedlichen Perspektiven, der Welt zu begegnen: aus der Distanz, der Übersicht, dem Plan, durch das konkrete Erleben oder die Imagination. Bei der Entwicklung einer Klanginstallation, zum Beispiel für eine Wohnstraße, einen Park oder eine Stadtsituation, bilden die Umgebungsgeräusche, spezifische Akustik, Geschichte, städtische Einbindung und Prägung durch seine Nutzung die Koordinaten für ein klangliches System. Es wird von uns visuell und hörbar in den Ort eingefügt. Die Frage nach den Umgebungsgeräuschen und den von uns eingespielten Kunstklängen erzeugt eine Irritation der vertrauten Wahrnehmungssituation.

Volker Straebel schreibt über die Klanginstallation Punktierte Umgebung, die 2000/2001 im Außenraum der Parochialkirche zu hören war, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Berliner Seiten (27. Dezember 2001): „Die Abgrenzung von Kunst- und Stadtklängen fällt zunächst schwer, ob Wind oder Lautsprecher rauschen, ist nicht leicht zu entscheiden. Zur Irritation tritt – geradezu ein Topos der Klangkunst – die akustische Sensibilisierung. Das Hören wird vom Akt der Wahrnehmung zum Bewußtsein des Wahrnehmens selbst, die Erfahrung der akustischen Außenwelt wandelt sich zur sensorischen Introspektion des Hörers.“
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Die Frage nach Kunstklängen und Umgebungsgeräuschen beschäftigte auch die Besucher des Jutta-Parks, die anläßlich des Festivals ECHO (2003) in Kaditzsch-Höfgen (bei Grimma), durch die Kastanienallee gingen. Die Allee beschreibt eine hundert Meter lange Linie, die in einem Rondell endet. Beim Blick zurück spannt sich die gelaufene Strecke und die verbrachte Zeit auf.
Bei der Klanginstallation Punktierter Umweg waren die 45 Kastanienbäume mit je einem knopfgroßen Piezo-Lautsprecher bestückt, der leise Klickgeräusche abgab. Sie spielten unterschiedliche Rhythmen, im gleichen Metrum, aber mit leicht auseinanderlaufenden Tempi. Was zum Tagesbeginn wie ein durchgehender Beat klang, der aber durch die jeweils pausierenden Lautsprecher klangliche und räumliche Qualitäten aufwies, verschob sich im Tagesverlauf und ließ die unterschiedlichen Rhythmen deutlich werden. Aus einer scheinbar geordneten und einfachen Struktur, entfaltete sich langsam die der Struktur innewohnende Komplexität. Bei der Entwicklung der Klanginstallation Punktierter Umweg hatten wir das Bild eines Gartens vor Augen, der wieder von der Natur überwuchert wird, sobald man aufhört, ihn zu gestalten.

Die an den Bäumen installierten Piezo-Lautsprecher traten neben der Parkumgebung in den Hintergrund. Sie fügten sich mit dem klanglichen Geschehen als ein künstlerischer Bestandteil in die akustische und visuelle Umgebung des Jutta-Parks ein. Die Mischung von Kunstklängen und den Umgebungsgeräuschen ließ das Hören der natürlichen Geräusche wie Vögel, Insekten, Wind und Blätter in einem neuen Licht erscheinen.
Das Wechselspiel zwischen der konkreten Erfahrung und imaginierter Zusammenhänge interessierte uns auch bei den Klanginstallationen Zeitweiliger Wohnsitz Grünstraße 18 und 19 (Stadtkunstprojekte Berlin 2000) und Hofgeschehen/Hartmanns Sonntag (Heimatmuseum Neukölln, Berlin, Ausstellung „Familiendinge“, 2003/2004).
„Verwundert bleiben die Leute vor der Investitionsruine an der Grünstraße stehen. Stimmengewirr dringt aus dem halbfertigen Gebäude Teller klappern, Kinder und Erwachsene unterhalten sich.“ (bey: Berliner Tagesspiegel, 22.6.2000) Im Rohbau in der Grünstraße sowie im Atrium des Neuköllner Heimatmuseums waren über die Ausstellungsdauer Wohnge-räusche verschiedener fiktiver Mieter zu hören. Dabei war nicht jedes Detail akustisch verständlich, vielmehr bildeten die von uns eingespielten Geräusche von mehreren Wohnparteien mit unterschiedlichen Familienordnun-gen klanglich eine Wohnhaus-atmosphäre. Die Wohngeräu-sche waren abhängig von den alltäglichen Tagesabläufen der einzelnen „akustischen Bewohner“. Teilweise ließen sie sich eindeutig den von uns entwickelten Wohnparteien zuordnen. Andere mischten sich mit den Umgebungsgeräuschen, den Wohngebäu-den um den Ort der Ausstel-lung und der Stadt.

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Die Frage nach Original oder Imitation ist Thema unserer aktuellen Klanginstallation Verdeckte Parallelen, die im Innenhof des Märkischen Museums zu hören ist. Der Installation liegen phonetische Beschrei-bungen von Starlauten zu Grunde, die in Vogel-Bestimmungsbüchern eine Hilfe zur Einordnung des zu hörenden Vogels bieten. So warnt der Star mit einem  kjieck kjieck” oder er heult ähnlich wie die Kurzwelle im Radio, auf der man einen Sender sucht mit
wie-ouu-iie” (vgl. Einhard Bezzel: Vögel Beobachten).
Die soziale Funktion der Stimmlaute bei Staren, wie zum Beispiel Stimmfühlung, aggressives Verhalten gegenüber Artgenossen, paarinterne Laute, Funktion beim Füttern der Jungen oder Bedrohung durch Feinde sind Ausgangspunkte zu der Arbeit. Originale Starelaute und Aufnahmen von Sprechern, die ausgehend von den phonetischen Beschreibungen Starenlaute nachahmen, werden von uns akustisch gegenübergestellt und räumlich über die Anordnung der Lautsprecher in den Hof abgespielt. Zu hören ist ein klangliches Wechselspiel, von Originallaut, Imitation und  imaginiertem Zusammenhang.