Schallplattenkonzert mit Vogelsang

Claus van Bebber

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Claus van Bebber entdeckte das Vinyl für sich schon in den frühen siebziger Jahren. Seit 1990 arbeitet er an Musik- und Aufführungsformen, in denen die Schallplatte im Mittelpunkt steht.

Die Vinyl-Schallplatte gehört schon seit den frühen siebziger Jahren zu meinem Instrumentarium. Seit 1990 entwickle ich Musik-, Aufführungs- und Gestaltungsformen unter ausschließlicher Benutzung der Schallplatte. Unter dem Titel ‚Schallplattenkonzert’ entstehen Kompo-sitionen, Improvisationen, Aktionen, Installationen und Objekte.
Claus van Bebber.

Für seine Konzerte nutzt er fünf bis sechs, in den Installationen bis zu zwanzig präparierte Abspielgeräte aus den fünfziger/sechziger Jahren und eine unterschiedlich große Anzahl präparierter Schallplatten. Sie werden direkt zum Mixer gelenkt. Oft setzt van Bebber zusätzlich einen alten Elektrogitarrenverzerrer mit Wah-Wah-Effekt oder auch die Möglichkeiten eines modernen Mischpultes ein, um die eingehenden Signale weiter zu modifizieren.
Ein Abgesang auf das untergehende Vinyl? Mitnichten!

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Dabei geht es mir nicht um Vinyl-Nostalgie. Ich vermeide erkennbare Zitate und Erinnerungen; es geht also nicht um die Musik anderer, sondern darum, aus und mit vorgefundenen, konservierten Klängen, Tönen und Geräuschen und den vinylty-pischen Eigenschaften und Möglichkeiten eine eigenständige Musik zu schaffen.
Claus van Bebber

Auf diese Weise entstehen konzertante Aufführungen, Performances und Installationen. Der Ort, seine akustischen und architektonischen Merkmale, ein bestimmter Anlaß oder ein konkretes Thema prägen seine „Schallplattenkonzerte“ entscheidend. Sie geben auch die musikalischen „Quellen“ vor: Volksmusik, Schlager, Klassik, Jazz oder eben Vogelsang. Die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation sind oft fließend. Das Erklingende ist nicht mehr auf seinen Ursprung zurückzuführen. Es wird auf eine zweite Ebene transformiert, die zwar auf ursprünglich Reales verweist, jedoch davon unabhängig eine spezifische Ästhetik entwickelt.
Eine eigenständige, neue Musik entsteht.

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Für mich hat das etwas mit Archäologie zu tun: dem Suchen, Finden und Ausgraben von Klängen, Tönen und Geräuschen. Es geht mir dabei aber nicht um die auf den Platten zu hörende Musik ‚anderer’ – ich vermeide Zitate –, sondern mehr um den Gedanken eines vorhandenen und konservierten riesigen Archivs aller Klänge, Töne, Geräusche und Musiken dieser Welt, aus dem ich schöpfe – in Verbindung mit den typischen Eigenschaften und Eigenheiten des Materials Vinyl und des dazugehörigen Abspielgerätes. Dabei interessieren mich auch die Geräusche, die vor und hinter den Rillen sind, und die akustischen Gebrauchsspuren: das Rauschen und Knistern und Knacken. Was andere stört, setze ich gestalterisch ein. In diesem Konzept sind für mich Abspielgeräte und Schallplatten keine Vehikel zum Vorführen, sie erhalten die Funktion von Instrumenten, die konzertant eingesetzt werden können.
Claus van Bebber

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Unglücklicherweise benutzen die meisten Leute, die Schallplatten sammeln, sie auf ganz andere Weise: als eine Art tragbares Museum oder als beweglichen Konzertsaal.
John Cage