Frauke Behrendt

Handymusik. Klangkunst und mobile devices

Das Handy zwitschert und der Vogel klingelt – Im Alltag und in der Klangkunst

Vögel imitieren Klingeltöne. Aber andersherum gilt auch: Menschen nutzen Vogelgesang als Klingelton. Klingeltöne sind ein Riesengeschäft. Längst werden nicht mehr nur bekannte Hits in Form von Klingeltönen recycelt, sondern es entstehen aus beliebten Klingeltönen selbst Chartbreaker. Die Verbreitung des Mobiltelefons brachte eine massive Invasion privater Klänge in den öffentlichen Raum. Es hat sich eine eigenständige Kultur des Klingeltöne entwickelt.

Das Handy und seine Klingeltöne sollen grundlegend betrachtet werden, denn erst die Kombination der Qualitäten mobil, immer eingeschaltet, digital und potentiell immer vernetzt macht die spezifische Materialität des Handys aus. Viele dieser Eigenschaften treffen auch auf Vögel zu, auch sie sind mobil, immer eingeschaltet, d.h. lebendig, potentiell immer vernetzt, nämlich bereit mit ihrem Schwarm zu kommunizieren – nur definitiv nicht digital. Das hat neben Küntzel auch schon andere Künstler dazu inspiriert in ihren Werken Vogelgesang mit mobiler Technologie, wie etwa dem Handy zu kombinieren. Bei der interaktiven Installation Text.FM der Künstler Matthew Fuller und Graham Harwood, werden SMS-Nachrichten zu einer Klangkollage im Radio transformiert, die mit Vogelgezwitscher unterlegt sind.

In Steve Symons Aura spaziert man auf einem öffentlichen Platz umher und hört dabei je nach der mit GPS ermittelten Position unterschiedliche Vogelgesänge und Klänge auf seinem Kopfhörer.

Aber auch unabhängig von ornithologischen Bezügen nutzen Künstler das Mobiltelefon als Instrument, in Symphonien, und als Teil interaktiver Installationen. Sie thematisieren dabei gesellschaftliche Veränderungen, die durch die Verbreitung des Handys stattfinden, wie beispielsweise das zunehmende Verschwimmen der Grenze zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre. Für das Werk Dialtones. A Telesymphonie von Golan Levin mussten die Zuschauer vor Beginn des Konzerts ihre Handynummer registrieren lassen. Daraufhin bekamen sie einen speziellen Klingelton auf ihr Handy geschickt und bekamen eine Platznummer zugewiesen. Der Dirigent hatte dann während des Konzertes gezielten Zugriff auf jedes einzelne Instrument seines Ensembles und seinen spezifischen Klang. Beim Radiokonzert Wählt die Signale! der Künstlergruppe Ligna konnten 144 in einem abgeschlossenen Raum liegende Mobiltelefone mit je unterschiedlichen, komponierten Klingeltönen angerufen werden. Das Ergebnis war im Radio zu hören. Diese Werke lassen sich im Kontext der Klangkunst verorten. Besonders interessant im Bezug auf Handymusik sind die Aspekte Interativität und Raum. Menschen tragen das Handy immer bei sich, deshalb sind sie für Werke, bei denen man mit dem eigenen Handy interagiert, immer gerüstet. Das Raumkonzept der Installation und das der Netzmusik finden beide Eingang in das Raumkonzept der Handymusik. Virtueller und realer Raum können sich dabei auf bisher nicht gekannte Art überlagern.
Das Handy zwitschert und der Vogel klingelt –Handymusik zwischen Konzertsaal und Vogelnest.

1/3 Fotos © Cordia Schlegelmilch 2004